Für Absolventinnen und Absolventen in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) besteht auf dem Schweizer Arbeitsmarkt eine hohe Nachfrage. Die ETH Zürich und die EPFL sowie die Forschungsanstalten PSI, WSL, Empa und Eawag sind auf diese Bereiche spezialisiert und können daher gemeinsam mit den anderen Universitäten und Fachhochschulen aktiv zur Entschärfung des Fachkräftemangels beitragen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn sie sich unter guten Rahmenbedingungen entwickeln und entfalten können.
In Anbetracht der Tatsache, dass für Absolventinnen und Absolventen der ETH Zürich und der EPFL eine hohe Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt besteht und der Fachkräftemangel im MINT-Bereich akut ist, erscheint es sinnvoll, noch mehr Studierende in diesen Bereichen auszubilden. Es ist daher nicht überraschend, dass die beiden ETH mit stetig zunehmenden Studierendenzahlen konfrontiert sind. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollte dies als positive Entwicklung betrachtet und vom Bund als Eigner unterstützt werden.
Zwar stehen die zunehmenden Studierendenzahlen im Einklang mit dem Auftrag des Eigners für den ETH-Bereich , aber gleichzeitig stellen sie auch eine beträchtliche Herausforderung dar. Als der Strategische Plan 2025–2028 des ETH-Rats für den ETH-Bereich im Juli 2022 veröffentlicht wurde, ging die ETH Zürich von einer Zunahme der Studierenden- und Doktorierendenzahlen von rund 3,5 % pro Jahr für die Perioden 2021–2024 und 2025–2028 aus. Die EPFL rechnete mit einem Anstieg von 2,8 % für die Periode 2021–2024 und 2,2 % für 2025–2028. Gemäss den jüngsten Daten für 2022 sind die Zahlen der Bachelor- und Masterstudierenden zwischen 2021 und 2022 um 3,4 % gestiegen und somit im Einklang mit dem prognostizierten Trend.
Gleichzeitig sind die finanziellen Aussichten für die kommenden Jahre ungewiss: Beim Szenario eines maximalen jährlichen Budgetwachstums von real 1,5 % gehen die Institutionen des ETH-Bereichs davon aus, dass die Rekrutierung neuer Mitarbeitender, insbesondere von Professorinnen und Professoren, stark eingeschränkt würde. Falls die Studierendenzahlen weiterhin steigen, würde sich das Verhältnis von Studierenden zu Professorinnen und Professoren merklich verschlechtern und damit die Qualität von Lehre und Lernen gefährden. Ausserdem begrenzen die eingeschränkten Möglichkeiten, den Immobilienpark zu entwickeln, die Aufnahmekapazität für die wachsende Anzahl Studierender stark.
Die meisten in der vorliegenden Strategie beschriebenen Ziele und Massnahmen erfordern zusätzliche Mittel für die Bildung. Es sind zwar Massnahmen vorhanden, die die Diskrepanz zwischen den zunehmenden Studierendenzahlen und der Erhöhung der Bundesbeiträge ausgleichen sollen, aber ihre Wirkung ist relativ beschränkt. Dazu zählen mehr Unterrichtsstunden pro Professorin bzw. Professor an den beiden ETH, eine breitere Verteilung der Lehraufträge, indem sowohl weitere Mitarbeitende der beiden Hochschulen als auch externe Dozierende (hauptsächlich von den vier Forschungsanstalten) in die Lehre eingebunden werden, die Einführung neuer Hilfsmittel für Lehre und Administration sowie schliesslich das vollständige Ausschöpfen der bestehenden Infrastrukturkapazitäten. Allerdings bergen diese Massnahmen ein erhebliches Risiko, das Personal mit Lehrtätigkeiten übermässig zu beanspruchen. Eine stärkere Priorisierung der Bildung durch die Umschichtung von Mitteln würde zulasten der Spitzenforschung gehen. Dies sowie der Status der Schweiz als nicht assoziiertes Drittland bei Horizon Europe stellen den ETH-Bereich vor grosse Herausforderungen und bedrohen seine Exzellenz. Letztlich kann die weiter zunehmende Studierendenzahl – nach Ausschöpfung aller anderen Alternativen – nur bewältigt werden, indem die Anzahl Professorinnen und Professoren, des anderen Lehrpersonals sowie die Raumkapazität erhöht werden.
In Anbetracht der Ergebnisse der bereichsinternen Konsultation dieser Strategie scheinen einige Studiengänge und -programme bereits an ihre Kapazitätsgrenzen zu stossen. Weitere Einschränkungen resultieren aus externen Faktoren wie der Unterbringung von Studierenden. Auf der Grundlage dieser Erwägungen kommt der ETH-Rat zum Schluss, dass die Möglichkeiten zur Gewährleistung einer qualitativ hochstehenden Bildung bald ausgeschöpft sind. Die Situation erfordert dringende Massnahmen seitens der beiden ETH. Die Massnahmen werden in den drei Handlungsfeldern entwickelt, die in der vorliegenden Strategie genannt werden: (i) Identifikation und Definition von Qualitäts- und Kapazitätsgrenzen, (ii) Umsetzung von Massnahmen zur langfristigen Gewährleistung von Qualität und Kapazität und (iii) Zulassungsbeschränkungen für Studierende als letztes Mittel. Sollten sich alle anderen Massnahmen als unzureichend erweisen, um die künftigen Wachstumsraten zu bewältigen, haben die Institutionen unter Umständen keine andere Wahl, als das Wachstum ihrer Studierendenzahlen zu begrenzen. Dies wäre kontraproduktiv im Hinblick auf bisherige und aktuelle Bestrebungen, mehr Studierende auszubilden, um dem Fachkräftemangel im MINT-Bereich entgegenzuwirken.
In Anbetracht der internationalen Lage und der aufeinanderfolgenden Krisensituationen hat der ETH-Rat grösstes Verständnis für die angespannte finanzielle Lage des Bunds. Allerdings sollten vor einem solchen Hintergrund Bildung und Forschung Priorität geniessen, da beide Bereiche grundlegend sind, damit das Land für künftige Herausforderungen gewappnet ist, und um den Fachkräftemangel zu überwinden. Ausserdem wird die Schweiz nur dank der Weiterentwicklung und der Förderung innovativer Bildung in der Lage sein, ein wettbewerbsfähiges globales Innovationszentrum zu bleiben und wichtige Unternehmen aus der ganzen Welt, die in Forschung, Technologie und Innovation tätig sind, anzuziehen und zu binden. Die finanziellen Rahmenbedingungen und die Globalbudgets für den ETH-Bereich müssen es den Institutionen des ETH-Bereichs erlauben, ihren Auftrag gemäss ETH-Gesetz und gemäss den Strategischen Zielen des Bundesrats zu erfüllen.