Die Hintergründe zur Organisationsentwicklung

Fit in die Zukunft – von der Industrialisierung bis ins Zeitalter der Digitalisierung

1855 wurde das Polytechnikum, die heutige ETH Zürich gegründet, um für die Schweiz Ingenieure auszubilden, etwa für den Strassen-, Eisenbahn- und Brückenbau sowie für die industrielle Chemie. Heute sind wir im Zeitalter der Digitalisierung angekommen, zu den grossen Themen gehören künstliche Intelligenz, Datenwissenschaft und Cybersecurity. Auch dafür braucht es Ausbildung und Forschung, damit die Schweiz diesen Herausforderungen im globalen Wettbewerb erfolgreich begegnen kann.

Die Struktur des ETH-Bereichs hat sich im Laufe der Zeit stetig gewandelt, und die heutige Organisation hat sich in vielfacher Hinsicht sehr bewährt. So funktionieren die Institutionen ETH Zürich, EPFL, PSI, WSL, Empa und Eawag gut und entwickeln erfolgreich ihre Portfolios in den Tätigkeitsbereichen ihres Mandats. Die unterschiedlichen «Raisons d’Être» der beiden Hochschulen und vier Forschungsanstalten, die einander ergänzen, erlauben dem ETH-Bereich, eine breite Palette von Aktivitäten in Forschung und Lehre sowie im Wissens- und Technologietransfer abzudecken.

Sie schaffen einen Mehrwert: Der ETH-Bereich als Ganzes ist mehr als die Summe der einzelnen Teile oder einzelnen Institutionen. Durch ihre Präsenz in 13 Kantonen tragen die Institutionen des ETH-Bereichs, deren Namen und Marken sehr wertvoll sind, zudem entscheidend zur regionalen Entwicklung in der Schweiz bei.

Neue globale Herausforderungen erfordern eine neue Art der Zusammenarbeit

Es gibt jedoch Bereiche, in denen erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Während die bestehenden Aufträge weiterhin relevant sind, treten in immer kürzeren Zeitabständen neue Themen und Herausforderungen auf, die ebenfalls angegangen werden müssen, sowohl unter günstigen als auch unter den derzeit schwierigen finanziellen Bedingungen. Die Bewältigung von zunehmend komplexeren globalen Herausforderungen (z. B. Digitalisierung, Klimawandel, Energie, Gesundheit, Cybersecurity) erfordert interdisziplinäre und transdisziplinäre Ansätze. Hier braucht es Vereinfachungen, um die Abläufe effizient zu gestalten.

Die Zusammenarbeit über institutionelle Grenzen hinweg ist mit administrativen Kosten und Koordinationsaufwand verbunden. Der ETH-Rat hat ausserdem einen Mangel an struktureller Flexibilität festgestellt. Die Integration neuer auftragsorientierter Einheiten oder Departemente für neue Aufgabenbereiche (z. B. Digitalisierung) ist schwierig, wenn diese nicht im aktuellen Tätigkeitsportfolios bzw. Aufgabenspektrum der bestehenden Forschungsanstalten /festgelegt. Ebenso ist es eine Herausforderung, die Tätigkeitsportfolios der sechs Institutionen strategisch zu koordinieren, um die Gesamtwirkung auf die Gesellschaft zu optimieren (z. B. die Koordination von Forschung und Entwicklung im Bereich Energie).

Die Strategie als Grundlage für eine optimale Organisation und Struktur

Basis für die Diskussion zur Organisationsentwicklung und Struktur des ETH-Bereichs ist der Strategische Plan 2025–2028, welcher im Juni 2022 veröffentlicht wurde. Darin definierte der ETH-Rat fünf strategische Schwerpunktthemen, um weiter­hin international wettbewerbsfähig zu bleiben und den wichtigsten globalen Herausforderungen zu begegnen. Im Zusammenhang mit den Kernaufgaben und den übergreifenden Schlüsselaufgaben wurden Massnahmen identifiziert, um in den Bereichen Bildung, Forschung sowie Wissens- und Technologietransfer weiterhin Spitzenleistungen zu erzielen.

Mensch und Gesundheit
Die Institutionen des ETH-Bereichs sollen ihre Expertise und bestehenden Kompetenzen in den Bereichen Epidemiologie, personalisierte Gesundheit, Molekularbiologie, Neurowissenschaften, Umwelt- und Agrarwissenschaften sowie Informationswissenschaften ausbauen.

Energie, Klima und ökologische Nachhaltigkeit
Der ETH-Bereich will die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Energiewende, dem Klimawandel und den Auswirkungen des Ressourcen- und Energieverbrauchs durch den Menschen auf die Umwelt angehen. Die Institutionen des ETH-Bereichs beabsichtigen, ihre Bestrebungen anhand dreier Stossrichtungen auszurichten: Energiewende, Netto-null-Emissionen sowie Biodiversität, Klimawandel und Nachhaltigkeit in Bau, Mobilität und Landnutzung.

Verantwortungsvolle digitale Transformation
Dieser Schwerpunkt soll technologische Fortschritte im Zusammenhang mit der Digitalisierung in einen breiteren Kontext einzubetten. Die Entwicklung und die Einführung modernster Algorithmen für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz sollen ausgebaut werden, vor allem in den Bereichen Energie und Verkehr, Bau- und Infrastruktursektor, Landwirtschaft, Umweltmonitoring und Gesundheit. Dabei zu nennen sind Datenwissenschaften, Softwareentwicklung, Bildverarbeitung, Computerarchitektur und -vernetzung, Computergrafik sowie Kryptografie und Sicherheit.

Fortschrittliche Materialen und Schlüsseltechnologien
Der ETH-Bereich soll die Entwicklung von fortschrittlichen und nachhaltigen Materialen anführen. Entscheidend sind dabei auch Datenwissenschaften, insbesondere künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Diese stärken die digitale Fertigung, Advanced Manufacturing, und damit die Schweizer Industrie. Eine weitere Schlüsseltechnologie ist Quantum zur Revolutionierung der Rechentechnik von Computern und der Sensorik.

Engagement und Dialog mit der Gesellschaft
Der ETH-Bereich soll einen proaktiven und offenen Dialog mit der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik führen. Ein solcher Dialog trägt dazu bei, Forschung in konkrete Lösungen und Strategien umzusetzen, Wissenschaft und Forschung zu fördern und die junge Generation für MINT-Fächer zu gewinnen.

Darüber hinaus ist die Grundlagenforschung ein Eckpfeiler aller Institutionen des ETH-Bereichs und ein wesentliches Element, das alle Strategischen Schwerpunkte umfasst.

Nach der Diskussion über die Strategie des ETH-Bereichs fand darauf aufbauend der Startschuss für das Projekt zur Überprüfung der Struktur des ETH-Bereichs statt. Der ETH-Rat startete das Projekt «Optimale Organisation und Struktur des ETH-Bereichs» während seiner Klausursitzung im Sommer 2022 und bildete eine Projektgruppe. Diese besteht aus der Direktorin und den Direktoren der vier Forschungsanstalten, den Präsidenten der beiden ETH, sowie aus Vertreterinnen und Vertretern des ETH-Rats. In der ersten Projektphase stand der Fokus auf der Auslegeordnung und Situationsanalyse.

Der Schweiz bestmöglich dienen – heute und in Zukunft

Die aktuelle Struktur des ETH-Bereichs ist im Laufe der Zeit gewachsen und wurde immer wieder an veränderte Bedürfnisse und Anforderungen angepasst. Die vier Forschungsanstalten sind aus der ETH-Zürich hervorgegangen.

Das PSI entstand 1988 durch die Zusammenlegung des Eidgenössischen Instituts für Reaktorforschung und des Schweizerischen Instituts für Nuklearforschung. Ebenso fusionierten 1989 die Eidgenössische Anstalt für forstliches Versuchswesen (EAFV) und das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) zur WSL. Durch das ETH-Gesetz von 1992 erhielten neben den beiden ETH auch die Forschungsanstalten eine eigene Rechtspersönlichkeit. Seitdem agieren sie als autonome öffentlich-rechtliche Anstalten.

Der Bundesrat erteilte dem ETH-Bereich als Teil der Strategischen Ziele 2021–2024 den Auftrag, diese Frage zu beantworten und seine Struktur angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs sowie der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu überprüfen. Der Auftrag basiert auch auf Empfehlungen internationaler Expertisen, die den ETH-Bereich im Rahmen der Zwischenevaluationen in den Jahren 2019 und 2023 evaluiert haben. Die Expertengruppe schlug vor, die Struktur weiterzuentwickeln und den ETH-Bereich an die zukünftigen Anforderungen anzupassen.

Empfehlung 10: Struktur des ETH-Bereichs

«Die durch den ETH-Rat angestossenen Bestrebungen zur Überprüfung der Struktur des ETH- Bereichs werden voll und ganz unterstützt. Derzeit umfasst dieser zwei grosse technische Hochschulen und vier Forschungsanstalten unterschiedlicher Grösse. Diese Bestrebungen sollen für Flexibilität und Agilität sorgen und die Entwicklung des Bereichs auf zukünftige Bedürfnisse ausrichten.»

«Die Expertenkommission wurde vom ETH-Rat über die aktuellen Überlegungen zur Struktur informiert; sie unterstützt die eingeleiteten Anstrengungen. Da die Aufteilung in die vier derzeitigen Forschungsanstalten hauptsächlich historisch bedingt ist, schlagen die Expertinnen und Experten vor, dass der ETH-Rat eine langfristige Vision und Strategie zum künftigen Bedarf an spezifischen Forschungsanstalten entwickelt. Der ETH-Rat soll auch prüfen, wie die künftigen Forschungsanstalten, die sich aus den Überlegungen zur Struktur ergeben werden, Redundanzen vermeiden und mit den anderen Institutionen des ETH-Bereichs noch besser zusammenarbeiten könnten.»

(Quelle: Zwischenevaluation 2019 des ETH-Bereichs, S. 15)

Feststellungen

Der ETH-Bereich besteht aus sechs Institutionen von unterschiedlicher Grösse: die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen weisen eine sehr breite Palette von Tätigkeiten auf und nehmen zahlreiche Ausbildungsaufgaben wahr, während jede der vier Forschungsanstalten sich auf spezifische Themen konzentriert und eine eigene Mission hat, namentlich die Durchführung angewandter Forschungsprojekte, den Betrieb von Forschungsinfrastrukturen von nationaler Bedeutung und das Angebot von Dienstleistungen von hoher Qualität für Forschende, Privatunternehmen und politische Behörden.

Dank ihrer hochspezifischen Expertise und ihrer Ausrichtung auf die angewandten Wissenschaften spielen die Forschungsanstalten eine zentrale Rolle bei der Herstellung und Wahrung von Beziehungen mit der ganzen Gesellschaft und insbesondere mit den eidgenössischen und kantonalen Verwaltungen sowie mit Startups, KMU und grossen Privatunternehmen. Ihre Fachgebiete sind jedoch nur teilweise auf die Herausforderungen abgestimmt, mit denen die Schweiz heute konfrontiert ist. Die Themen der Forschungsanstalten wurden in den 1960er-Jahren festgelegt; sie sind zwar immer noch aktuell, doch sind zahlreiche weitere Herausforderungen dazugekommen (Klima, Energie, Ernährung, künstliche Intelligenz, um nur einige davon zu nennen).

Nach Ansicht der Expertenkommission wird die Fähigkeit des ETH-Bereichs, rasch auf dringende Herausforderungen für die Schweiz zu reagieren, durch seine aktuelle Organisation beeinträchtigt. Diese Feststellung stellt die Qualität der Tätigkeiten der vier Forschungsanstalten und ihren Beitrag zum Erfolg der Schweiz keineswegs in Frage. Sie gehen laufend Kooperationen mit anderen Hochschulinstitutionen und mit zahlreichen Industriepartnern ein. Diese Beziehungen müssen auch in Zukunft gewahrt und noch weiter intensiviert werden.

Wie bereits in der Zwischenevaluation 2019 hervorgehoben wurde, ist es wichtig – und heute sogar noch dringender – dass der ETH-Rat Änderungen für die Organisation des ETH-Bereichs, insbesondere aber nicht ausschliesslich auf der Ebene der Forschungsanstalten vorschlägt. Gestützt auf ihre Beurteilung der aktuellen Organisation empfehlen die Expertinnen und Experten ein Vorgehen, das alle Institutionen des ETH-Bereichs miteinbezieht, da auch die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen von einer Überprüfung ihres Tätigkeitsportfolios profitieren werden.

Die Expertinnen und Experten haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass der Präsident des ETH-Rats zusammen mit den Verantwortlichen der sechs Institutionen des ETH-Bereich bereits ein solches Verfahren eingeleitet hat. Angesichts der Qualität der Leadership und der offensichtlichen Bereitschaft zur Zusammenarbeit sieht die Expertenkommission hier eine einzigartige Chance, diesen Prozess erfolgreich umzusetzen.

Die Aufgabe wird komplex sein, denn nicht für jede neue wissenschaftliche Herausforderung, die erhöhte Aufmerksamkeit erfordert, kann eine eigene Forschungsanstalt ins Leben gerufen werden. Vielmehr wird es entscheidend sein, die spezifischen Kompetenzen innerhalb der Institutionen zu bestimmen und die Zusammenarbeit zu fördern. Die Struktur des ETH-Bereichs muss einfach genug bleiben, um eine optimale Governance und eine effiziente Zusammenarbeit zwischen den Forschenden sicherzustellen. Die optimale Organisationsstruktur sollte anhand eines Ansatzes festgelegt werden, der auf einem Tätigkeitsportfolio basiert und alle Institutionen miteinbezieht, wobei der Fokus zunächst auf die transversalen Schlüsselaufgaben und erst in einer zweiten Phase auf die Struktur an sich zu legen ist. Das Evaluationsmandat der Expertenkommission sieht zwar nicht vor, dass diese konkreten Vorschläge zur künftigen Struktur des ETH-Bereichs abgibt, doch sind die Expertinnen und Experten überzeugt, dass eine Änderung sich positiv auf die Zukunft des ETH-Bereichs auswirken wird und sie haben daher Rahmenbedingungen zur Begleitung des Änderungsprozesses festgelegt.

Empfehlung 8: Die interne Struktur des ETH-Bereichs reformieren

  • Um rasch auf neue Herausforderungen reagieren zu können, die einzigartige Gelegenheit nutzen, die Struktur des ETH-Bereichs zu reformieren. Der durch den ETH-Rat eingeleitete Prozess muss zu einer echten Änderung gegenüber der heutigen Situation führen. Ein Entscheid sollte vor der nächsten Zwischenevaluation getroffen werden.

  • Bei der Definition und Umsetzung dieser Reform ist den folgenden Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Sie muss:
    • In erster Linie auf klaren Zielen basieren, die einen Mehrwert für den ganzen ETH-Bereich und die Schweiz bringen, geleitet durch die künftigen Herausforderungen für die Forschung und die transversalen Schlüsselaufgaben, und sich erst in zweiter Linie auf die Struktur konzentrieren.
    • Nicht nur die vier Forschungsanstalten, sondern auch die beiden Hochschulen miteinbeziehen, um zu vermeiden, dass neue Einheiten geschaffen werden, die zu Redundanzen führen würden.
    • Zu Einheiten von ausreichender Grösse führen, damit der gesamte ETH-Bereich agil bleibt und sich den künftigen Bedürfnissen anpassen kann.
    • In einer Art und Weise ausgestaltet sein, dass den Stakeholdern der Forschungsanstalten Dienstleistungen von hoher Qualität geboten werden.
    • Zu einer Struktur führen, welche die weitere Zusammenarbeit mit Akteuren innerhalb und ausserhalb des ETH-Bereichs vereinfacht.
    • Bürokratie und unnötige indirekte Kosten (Overhead) minimieren.


(Quelle: Zwischenevaluation 2023 des ETH-Bereichs, S. 24)

Kontakt

Für weitere Informationen steht Ihnen Gian-Andri Casutt, Leiter Kommunikation, gerne zur Verfügung.